Zum Jahreswechsel nicht auch Präsident Putin herunterholen?
Evident ist schon mal, dass Putin wie andere Funktionäre im sowjetischen Geheimdienst die kommende Implosion der Sowjetunion schon Jahre vor dem eigentlich Zusammenbruch 1991 realisiert, begrüßt und nach Kräften für sich zu nutzen begonnen hat. Mit gezielten Schritten, das Kapital des untergehenden Staates zu plündern. Bereits mit westlicher Hilfe – wie dann in seiner gesamten politischen Karriere. Wo wäre da die „größte Katastrophe des Jahrhunderts“?
So herum könnte es bei diesem Gewaltherrscher immer gewesen sein: eine Ideologie hätte dieses Regime nicht.
Die wäre immer nur von seinen Politiktechnikern zusammengebastelt und dann vom Staatschef weltpolitisch nachgereicht worden. Ist die Annexion der Krim 2014 nicht in Tagen oder Stunden beschlossen, vom Zaun gebrochen, improvisiert worden? Als nämlich der Versuch, die Ukraine per Infiltration, Unterwanderung und mit Hilfe einer Marionette wie Wiktor Janukowytsch – also von Innen – abzuwürgen und zu kontrollieren, am Maidan kläglich gescheitert war? In Georgien könnte diese bevorzugte Methode der Überwältigung heute eher funktionieren. Auch mit Hilfe einer indifferenten EU. Georgien ist nicht die Ukraine. Wo wäre in diesen so brutalen wie prekären, letztlich perspektivlosen Rückzugsgefechten gegen die Demokratie im Nachbarstaat und im postsowjetischen Umfeld die Vision eines Imperiums seit Peter dem Großen und Katharina II.? Ein anderes Land beherrschen ist etwas anders als es kaputtzuschlagen.
Gilt im Putin-Regime nicht vielmehr immer ein notgedrungener, desperater Primat der Innenpolitik? Die „Geopolitik“ – d a s Thema „unserer Realisten“, wie Anne Applebaum spottet (vgl. Die Achse der Autokraten, 2024) – wäre dann nur vorgeschoben. Staffage, Theater, das einen monumentalen, gewissermaßen schicksalhaften, zur Not auch tragischen Sinnzusammenhang über die nackte Kleptokratie legen soll. Nach innen wie nach außen, für die Russen selbst wie für den Westen.
Weniger gefährlich für Europa und auch uns wäre das Ganze deswegen freilich keineswegs. Das wäre ein fatales Missverständnis. Eher im Gegenteil: Putin wäre in dieser Sicht inzwischen zum Gefangenen seiner maßlosen, irren Selbststilisierung, seiner „staatstragenden“ Erzählung geworden. Weil er nichts anderes hat, Europa zu beeindrucken, zu bedrohen, in Sorge und Angst zu versetzen.
Nichts als das Bühnenbild von der zeitlosen, immer gleichen Imperialmacht. Wenn die Propaganda nicht schon zum Phantasma, zum Wahn mutiert ist, und der kleine große Mann aus dem Gulag mittlerweile selber daran glaubt.
Christina Herbert-Fischer
29.12.2024, 18:48
Die derzeitige russische Regierung ist und bleibt gefährlich, vielleicht gerade auch weil sie nicht wirklich so stark ist, wie sie zu erscheinen versucht. Die Schlappe in Syrien, und wer weiß schon, wie sich das Land entwickeln wird, macht Russland eher gefährlicher für Europa. Das auch, weil Teile der europäischen Staaten, gerade Deutschland, zaudert die Ukaraine beherzt zu unterstützen, und andere Staaten, wie z.B. Ungarn, kein echtes Interesse daran haben können. Die USA ist endgültig zum Wackelkandidaten mutiert, was die Unterstützung der Ukraine angeht und die Demokratie. Danke für den Beitrag, es sind immer Bühnenbilder, auch in Europa und den USA.
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